Auf dem Weg zurück: Jenny Ertl im Interview

2021-02-07 12:28:00
Auf dem Weg zurück: Jenny Ertl im Interview -

Diese Spielerin brennt für den Badmintonsport. Sie war 2017 und 2018 Staatsmeisterin im Dameneinzel und einige Zeit Österreichs beste Dame. Vor zweieinhalb Jahren hatte sie viel Glück und überlebte einen schweren Autounfall bei dem zwei ihrer Spielerkolegen starben. Im Dezember bei der Team-EM-Quali in Linz spielte sie in der Nationalmannschaft ihr erstes internatioales Match nach dem Unfall.

Ein interessantes Interview! Das Interview wurde per e-mail durchgeführt, alle Fotos sind von Jenny Ertl.

Wie hast Du die Stimmung bei der Team-EM-Quali in Linz gefunden? Wie war es in der Halle zu spielen?

Zwar war es natürlich schade, dass ohne Zuschauer gespielt werden musste, aber die Stimmung in der Halle war dennoch großartig. Das Team hat sich gegenseitig unglaublich lautstark unterstützt und es war ein wirklich tolles Gefühl, Teil dieser Veranstaltung und dieses Teams zu sein. Auch die Halle und sämtliche Organisation rundherum fand ich spitze und muss dem Organisationsteam ein Kompliment aussprechen. Solche Events könnten wir im Badminton in Österreich sicher öfter gebrauchen.

Jenny, bei der Team-EM-Quali in Linz hast Du Dein erstes internationales Match nach Deinem schweren Autounfall gespielt.  Wie bist Du mit dem Einzel gegen die Holländerin Jaymie Laurens zufrieden?

Es war für mich unglaublich schön, dass ich eingesetzt wurde. Ich hätte mir davor nicht vorstellen können, eine solche Chance schon jetzt zu bekommen und ich war unglaublich stolz darauf, schon wieder so weit gekommen zu sein. Aber auch wenn ich in den letzten zwei Jahren wirklich hart an mir gearbeitet hatte, war es im Training eher darum gegangen, jede Bewegung wieder ausführen zu können und meinen Körper wieder an die Belastungen im Badminton zu gewöhnen. Das Spieltempo hat mich daher etwas überfordert und ich hatte relativ wenig entgegenzusetzen. Klar wünschte ich mir da einen anderen Spielverlauf, aber mir fehlt die Spielpraxis der letzten beiden Jahre und auch noch die Spritzigkeit und Sicherheit am Feld, das merke ich ganz deutlich. Weil mir das aber auch durch dieses Spiel so klar vor Augen geführt wurde, kann ich jetzt wieder motiviert weiter an mir arbeiten.

Wie lange ist der Unfall aus? Wie geht es Dir beim Spielen? Bist Du schon wieder voll fit? Du hast mir einmal erzählt, dass Du noch eine Eisenplatte im Fuss hast. Immer noch?

Der Unfall ist mittlerweile schon zweieinhalb Jahre her. Das ist eigentlich eine wirklich lange Zeit, aber er hat bisher mein Leben bis in die Gegenwart geprägt. Mittlerweile ist aber endlich alles Metall entfernt und ich arbeite hart daran, dass es körperlich und auch psychisch immer besser wird. Einiges lässt sich da auf jeden Fall beeinflussen, aber eben nicht alles. Die Schmerzen sind immer noch nicht ganz verschwunden, es hat sich aber auf jeden Fall schon vieles verbessert.

Was hast Du es gemacht, dass Du wieder zurückkommst?

Es gab Ziele, die ich einfach unbedingt erreichen wollte, und an deren Erreichbarkeit ich aus vollem Herzen glaubte. Diese Ziele brachten mich auch durch die schwersten Zeiten und halfen mir vorwärts zu kommen. Ich wollte einfach unbedingt wieder Badminton spielen und habe natürlich auch sehr konsequent alles dafür getan, um zu erreichen wofür ich kämpfte. Das heißt, ich habe sehr hart an mir gearbeitet, viele Therapien gemacht und versucht trotz aller Schwierigkeiten und Rückschläge, die es haufenweise gab, einfach immer weiterzumachen und ganz fest daran zu glauben, dass alles wieder möglich sein würde.

Ich hab es verfolgt, Du warst lange Zeit die Nummer-Eins in Österreich, oftmals Staatsmeisterin im Damen-Einzel und hast nie die Chance bekommen, im Nationalteam zu spielen oder mit dem Team mitzutrainieren. Haben sie Dich immer übersehen? Was war der Grund? Wie war das für Dich?

Übersehen kann man wohl nicht sagen. Ich wurde noch in der Jugend aus dem Jugendnationalkader geworfen und es fielen auch in den folgenden Jahren einige Aussagen, die mich verletzt und mein Selbstbwusstsein als Spielerin auch geschädigt haben. Auf jeden Fall bekam ich den Eindruck, dass man im Verband nicht an mich als Spielerin glaubte. Ich konnte und wollte mich wohl auch nicht so anpassen und verändern lassen, nur um in das Bild, das man von mir sehen wollte, zu passen. Also bin ich dann meinen eigenen Weg gegangen und manchmal war das ganz schön schwierig, weil ich viel Zeit dahingehend investieren musste, gute Trainingsbedingungen für mich selbst zu schaffen. Je besser ich wurde, desto schwieriger wurde das auch und mit Unterstützung seitens des Verbandes wäre das sicher einfacher gewesen und hätte ich vielleicht auch schon früher mehr aus mir herausholen können. Aber das liegt in der Vergangenheit und mit Sicherheit gab es gute Gründe und nur beste Absichten hinter diesen Geschehnissen und Entscheidungen. Im Endeffekt habe ich auch viel für mich selbst daraus gelernt und ich glaube, jetzt ist Badminton in Österreich, jetzt sind wir alle, auf einem ganz guten Weg. Der Zusammenhalt ist größer, Individualität wird zugelassen und unterstützt und es werden die Stärken gesehen, die man mitbringt. Es ist schön das miterleben und auch selbst ein Stück weit leben zu dürfen.

Wie hast Du es geschafft, da nicht das Handtuch zu werfen? Oder war das Nationalteam gar nicht so wichtig für Dich?

Manchmal wenn ich wegen fehlender Möglichkeiten zu Hause das Gefühl hatte, dass ich meine Ziele nicht erreichen würde können, dachte ich tatsächlich darüber nach, einfach aufzuhören. Ich wollte mich immerhin weiterentwickeln und verbessern und mit den Möglichkeiten zuhause kam ich da manchmal an meine Grenzen. Aber mein Ehrgeiz und die Leidenschaft zum Badminton verhinderten, dass ich einfach aufgab. Ich versuchte, das beste aus der Situation zu machen und es gab glücklicherweise auch viele, die mich dabei unterstützen. Ich hatte außerdem auch eine zusätzliche Motivation, immerhin wollte ich auch allen, die an mir gewzeifelt hatten, zeigen, dass sie sich geirrt hatten in ihren Einschätzungen.

Das Nationalteam war damals vielleicht insofern wichtig, als ich Teil davon sein musste, um an den ganz großen Events, wie Europameisterschaften oder ähnlichem teilnehmen zu können. Ich wollte allerdings ohnehin erst einmal selbst viele Erfahrungen auf internationalen Turnieren sammeln und mich dort immer weiter nach vorne spielen. Hätte ich das geschafft, hätte ich wohl auch damals noch einen Versuch mit dem Nationalteam gestartet, sofern man dort dafür bereit gewesen wäre, aber dann kam ja alles ganz anders.

Mit wem und wie hast Du trainiert, dass Du stark geworden bist? Wer war Dein Trainer?

Ich habe in den Jahren vor dem Unfall vor allem mit Urska Silvester trainiert. Im Training habe ich versucht jede Minute zu nutzen, immer fokussiert zu sein und alles für mich herauszuziehen. Ich habe zusätzliche indivduelle Stunden genommen und am Stück oft dreieinhalb Stunden trainiert, nachdem ich schon eine Stunde Kindertraining hinter mir hatte. Ich habe also einfach wirklich viel Energie, Zeit und Herz reingesteckt und Urska und andere haben das ebenso. Ich habe ihnen viel zu verdanken.

Wann und von wem bist Du das erste Mal gefragt worden, ob Du im Team spielen willst.Wie läuft das jetzt, kommst Du öfter nach Wien und trainierst mit dem Team mit?Mit wem trainierst Du in Klagenfurt?

Jürgen Koch hat mich das erste Mal darauf angesprochen. Wann genau, weiß ich gar nicht mehr. Ich war aber dennoch bis zur Einberufung zur Team EM Quali und meinem ersten Training in Wien skeptisch, ob es wirklich dazu kommen würde und vor allem, ob ich mit den Bedingungen dort klarkommen würde. Aber ich durfte feststellen, dass es ganz anders läuft, als, wenn man vielen Erzählungen glaubt, in den letzten Jahren und ich fühlte mich dort sehr gut aufgehoben und genoss das Training unglaublich. Deshalb ja, der Plan wäre regelmäßig ganze Wochen in Wien zu verbringen und dort mitzutrainieren und dann in der Zeit zu Hause weiter an den Themen zu arbeiten. Im Moment trainere ich zu Hause recht eigenständig, Klausi war in letzter Zeit öfters mein Zuspieler, wie in alten Zeiten, nur dass ich jetzt sage, woran ich arbeiten möchte.

Wie geht es Dir mit der Motivation in Corona-Zeiten? Was gibt es für Turniere für Dich? Wann denkst Du, gibt es wieder richtige Turniere?

Die Motivation ist da, nur das rundherum macht mir oft Angst. Ich habe seit dem Unfall einige psychische Schwierigkeiten und das viele Herumfahren oder auch jetzt das Rausgehen trotz Corona fällt mir oft gar nicht leicht. Aber ich bin sehr froh, dass ich das Privileg habe, zu trainieren. Ich hoffe, dass wir das Virus bald zurückdrängen und dann sicher wieder in die Hallen zurückkehren dürfen. Prognosen sind da sicher schwierig, aber ich vermute, dass das mit entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen nicht mehr so lang dauern wird. Bis dahin bin ich erstmal nur in der Bundesliga im Einsatz und lege meinen Fokus aufs Training, da habe ich ohnehin viel aufzuholen.

Machst Du auch Krafttraining? Gehst Du Laufen?Trainierst Du auch für Doppel?

Lange Laufen gehe ich nicht, das tut meinem rechten Bein immer noch nicht wirklich gut. Auch Kraftkammer war die letzten Monate wegen der ganzen Situation rund um Corona nicht immer ganz einfach, aber ich versuche mich mit verschiedenen Trainings Off Court fit zu halten. Schon seit dem Unfall und noch einmal mehr im Lockdown habe ich mein Zimmer als Trainingsort ganz neu entdeckt. Spezifisch für Doppel trainiere ich nicht, spiele aber trotzdem auch sehr gern diese Disziplin.

Was machst Du, wenn Du nicht Badminton tranierst? Was machst Du gerne?

Ich studiere, verkaufe selbst gestaltete Badminton T-Shirts, schreibe über die Ereignisse der letzten beiden Jahre, habe auch noch viele Therapien und versuche es mir einfach, gut gehen zu lassen und ganz ins Leben zurückzufinden.

Ich bin sehr gern kreativ, ähnlich wie das Badminton bringt mich das runter und lässt mich alles um mich herum vergessen. Ich male und zeichne viel und bereite anderen auch gern eine Freude etwa mit meinen Bildern. Es gibt mir viel, anderen vielleicht ein Lächeln entlocken zu können und ihnen die momentan doch sehr herausfordernden Zeiten zumindest für einen Moment ein wenig leichter zu machen. Das ist mir seit dem Unfall ein großes Bedürfnis und macht mich auch selbst glücklich.

Wie und wann bist Du mit dem Badminton-Virus infiziert worden? Was taugt Dir so am Sport?

Ich habe schon in meiner frühen Kindheit, etwa im Alter von acht Jahren mit dem Badmintonspielen begonnen und hatte das vor allem meinen Eltern zu verdanken. Die richtige Liebe zum Sport kam aber erst später und entwickelte sich erst im Laufe der Jahre. Dabei kann ich gar nicht so ganz genau sagen, was es ist, dass mich so in die Faszination dieses Sportes zieht. Als Trainerin kenne ich Standardantworten wie, weil es eine so vielseitige Sportart ist und außerdem die schnellste Ballsportart der Welt, aber eigentlich ist es nichts davon. Vermutlich ist es dieses starke und schöne Gefühl, das ich habe, wenn ich am Feld stehe. Badminton war mein Anker, als ich verzweifelte und alles über mir einzustürzen drohte und ist es manchmal immer noch. Es ist einfach das, was ich immer schon getan habe und das, was ich wirklich tun will und ich habe durchs Badminton so viel für mich und für mein Leben gelernt, etwa niemals aufzugeben, mir Ziele zu setzen und an mich selbst zu glauben.

Du bist auch als Trainerin aktiv, mit wem trainierst Du normalerweise, ich meine wenn nicht Corona-Pause ist?

Das war in der Vergangenheit immer wieder unterschiedlich, allerdings habe ich mich im Vereinstraining meistens um die Gruppe der Jüngsten gekümmert. Da war es mir dann immer wichtig auch den Spaß nicht zu kurz kommen zu lassen und sie in ihrer Persönlichkeit zu stärken, um sie gut auf das was im Sport aber auch im Leben auf sie wartet, vorzubereiten. Zuletzt hatte ich mich allerdings etwas aus dem Vereinstraining zurückgezogen, um mich mehr auf mich selbst konzentrieren zu können. Ich bin außerdem als Regiotrainerin in der Region Süd aktiv.

Steckbrief

Hobbies: Malen, Schreiben, Kreativ sein, Musik hören
Verein ASKÖ Kelag Kärnten
Schläger: Babolat XAct 85 XF
Bespannung: 12 kg
Spielertyp: Angriffsspielerin
Erster Trainer: Meine Eltern, Klaus Pierl
Ziele: ein internationaler Turniersieg

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